Dr. Mui verfügte über extensive E-Mail-Archive, alle säuberlich geordnet, die sich in den meisten Fällen auf die Korrespondenz mit einem Geldinstitut bezogen.
„Schweizer Bankkonten?" wagte Henry eine Spekulation.
„Unter anderem - und noch einiges andere, das nicht ganz so altmodisch ist. Anscheinend schickt unsere Frau Doktor reichlich Geld ins Ausland, in irgendwelche Steueroasen."
„Ärzte verdienen nun einmal sehr gut."
„Schon - aber hier geht es um mehr Geld, als sich selbst in British Columbia mit Privatpatienten erwirtschaften läßt, die für jeden Handschlag extra zur Kasse gebeten werden. Dazu kommen das Auto und die Wohnung. Ich denke, wir können getrost davon ausgehen, daß Swanson die Frau gekauft hat und daß sie nicht billig war. Er muß für die Nieren ein verdammtes Vermögen verlangen, wenn er bei diesen Ausgaben aus der Sache noch Profit ziehen will."
„Welchen Preis hat ein Leben?" fragte Henry leise.
Vicki drehte sich um und sah ihn an. Dann nickte sie. „Da hast du recht."
Einen Moment lang dachte Henry, sie würden einander berühren können, ohne Blut, ohne Leidenschaft, in Freundschaft. Der Moment verging, das Gefühl blieb. „Wir dürfen nicht vergessen, daß Swanson das Geld, das er seinen Spendern bietet, immer wieder neu investieren kann."
„Auch wieder wahr." Mit zu einem einzigen, dünnen weißen Strich zusammengepreßten Lippen fuhr Vicki den Computer herunter. „Jetzt wissen wir, wo er wohnt und sollten ..."
Sie beide hörten im selben Moment das Leben, das sich dem Büro näherte. Ledersohlen schlugen gegen Kacheln, kamen näher, schnitten ihnen den Fluchtweg ab.
„Was hältst du davon, den Schreibtisch durchs Fenster zu werfen?"
Henry schüttelte den Kopf. „Das würde zuviel Aufmerksamkeit erregen. Sie würden uns abfahren sehen und die Nummernschilder überprüfen. Das käme nur in Frage, wenn wir den Wagen hierlassen, also aufgeben wollen, und das haben wir sicher nicht vor."
Die Bürotür ging zum Flur hinaus. Vicki stellte sich rechts davon auf und wies Henry mit einer Handbewegung an, sich links zu postieren.
Als die Tür aufging, wandte Vicki den Kopf ab, damit ihre empfindlichen Augen nicht vom grellen Flurlicht getroffen würden, packte die Hand, die nach dem Lichtschalter an der Bürowand langte und zog den fremden Mann, dem die Hand gehörte, mit einem Ruck ins Zimmer.
Henry schloß die Tür.